30
Links oben ein Karton, der halb geöffnet ist und worin alte Zeitungen liegen. Im Hintergrund liegt eine antike Karte, unten links eine historische Ausgabe des Kreisblatts von 1885. Rechts unten ein Fotoalbum mit schwarz-weiß Fotos vom Bahnhof Bebra und einem Tunnel. Oben in der Mitte liegt ein Dia, daneben steht Dorflinden.

Geschichte des Landkreises Hersfeld-Rotenburg

Was bedeutet eigentlich das Wappen des Landkreises Hersfeld-Rotenburg? Hier erfahren Sie, aus welchen Wappen das jetzige entstanden ist. Der Landkreis Hersfeld-Rotenburg feierte übrigens am 1. August 2022 sein 50-jähriges Bestehen. Ein Grund, einmal zurückzublicken. Tauchen Sie ein in die Geschichte des Landkreises. In den vergangenen 50 Jahren ist viel passiert. 



Das Wappen des Landkreises

Das Wappen des Landkreises Hersfeld-Rotenburg zeigt im von Silber und Rot gespaltenen Schilde vorne das rote Hersfelder Doppelkreuz, hinten einen waagrechten silbernen Ast, aus dem ein Zweig mit drei silbernen Lindenblättern emporwächst. 
Wappen Landkreis Hersfeld-Rotenburg

Das Wappen des Landkreises Hersfeld-Rotenburg zeigt im von Silber und Rot gespaltenen Schilde vorne das rote Hersfelder Doppelkreuz, hinten einen waagrechten silbernen Ast, aus dem ein Zweig mit drei silbernen Lindenblättern emporwächst. Das Wappen des Landkreises Hersfeld-Rotenburg ist geschützt. Der Gebrauch und eine Erlaubnis zur Führung des Kreiswappens sind durch die „Satzung zum Schutz des Kreiswappens des Landkreises Hersfeld-Rotenburg“ geregelt. 


Herkunft des Wappens

Wappen Kreis Hersfeld

In Silber ein schwebendes doppelarmiges rotes Kreuz.
Wappen Altkreis Hersfeld

In Silber ein schwebendes doppelarmiges rotes Kreuz. Das Emblem des Kreiswappens wird dem Begründer der Stadt Bad Hersfeld, dem Erzbischof St. Lullus von Mainz (755-786) zugeschrieben, der in dem von ihm gegründeten  Kloster Hersfeld gestorben ist. 
Quelle: Wappen der Landkreise / Steimel Verlag, Köln



Wappen Kreis Rotenburg

Wappen Kreis Rotenburg Geteilt, oben in Blau ein wachsender von Silber und Rot fünfmal geteilter Löwe, unten in Silber ein roter Dreiberg, belegt mit grünem Ast, aus dem drei grüne Blätter den Dreiberg überragen. Während die obere Schildhälfte an die Zugehörigkeit zur alten Landgrafschaft Hessen erinnert, „redet“ die untere (Roter Berg = Rotenburg) auf den Namen der Kreisstadt.
Wappen Altkreis Rotenburg

Geteilt, oben in Blau ein wachsender von Silber und Rot fünfmal geteilter Löwe, unten in Silber ein roter Dreiberg, belegt mit grünem Ast, aus dem drei grüne Blätter den Dreiberg überragen. Während die obere Schildhälfte an die Zugehörigkeit zur alten Landgrafschaft Hessen erinnert, „redet“ die untere (Roter Berg = Rotenburg) auf den Namen der Kreisstadt.


50 Jahre Kreisgeschichte

  • 1. August 1972: Geburtsstunde unseres Kreises Hersfeld-Rotenburg

    Durch einen Zusammenschluss im Rahmen der 1970 eingeleiteten Verwaltungs- und Gebietsreform war zum 1. August 1972 aus wesentlichen Teilen der beiden Kreise Hersfeld und Rotenburg unser Kreis Hersfeld-Rotenburg entstanden.

    Mit diesem Zusammenschluss hatten die beiden Kreise Hersfeld und Rotenburg ihre seit 1821 bestandene Eigenständigkeit zu Gunsten einer größeren und leistungsfähigeren Verwaltungseinheit aufgegeben. Nachstehend werden einige Abläufe und Einzelheiten geschildert, die 1972 eine Entwicklung zum Abschluss brachten, die die kommunale Welt veränderte.

    Zur Reform von 1972 werden nachstehend Abläufe dargestellt und Einzelheiten geschildert - eingeleitet mit einigen Informationen über die katastrophale Lage nach der Befreiung vom Nazi-Regime 1945.

  • 1945: Neubeginn und demokratische Erneuerung

    Schon Ende März 1945 hatten US-amerikanische Einheiten unsere Kreise Hersfeld und Rotenburg besetzt. Bereits vor der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 übte die örtliche Militärregierung die gesamte Staatsgewalt aus und überwachte alle Bereiche.

    Nach dem Zusammenbruch der zentralistischen Nazi-Diktatur wurde der demokratische Neuanfang unter Aufsicht der Militärregierung eingeleitet. NS-Belastete wurden aus Ämtern und Funktionen entfernt. Unbelastete wurden kommissarisch zu Landräten oder Bürgermeistern bestellt und - unter Aufsicht der Besatzung - mit der Wahrnehmung von vielfältigen Aufgaben beauftragt.

  • Vielfältige Not in der Nachkriegszeit

    Auch in unseren beiden Kreisen mussten von den sich neu aufbauenden Verwaltungen der Gemeinden und Kreise sofort lebenswichtige Alltagsfragen bearbeitet und gelöst werden - aber es fehlte an Allem.

    Der erhebliche Aufgabenzuwachs durch die kriegsbedingt aufgetretene menschliche Not mit den rasch zu bewältigenden Existenz-Problemen – wie z. B. die Versorgung von Lebensmitteln, die Zuteilung von Heizstoffen, Verbrauchsgütern und Haushaltsgegenständen, die Linderung von Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit, Versorgung der Kriegsbeschädigten, Hilfen für Kriegerwitwen und Kriegswaisen, Wohlfahrtsleistungen und Hilfe für Bedürftige, Soforthilfe und Lastenausgleich für Evakuierte, Flüchtlinge und Heimatvertriebene - überforderte kleinere Gemeinde- und Kreisverwaltungen; insbesondere aber die ehrenamtlich geführten Gemeindeverwaltungen.

    Erste Überlegungen zur Verwaltungs- und Gebietsreform

    Hessen wurde 1946 unter Aufsicht der US-amerikanischen Besatzung neu gegliedert und bestand nunmehr aus 39 Kreisen, 9 kreisfreien Städten, rd. 2.700 Gemeinden und Städte.

    Ab 1947 wurde mehrfach gefordert, bei kleineren Gemeinden und Kreisen wegen vielfältigem Aufgabenzuwachs und zur Stärkung der allgemeinen Verwaltungskraft, zur Verbesserung der strukturpolitischen kommunalen Entwicklungschancen und finanziellen Leistungsfähigkeit eine Verwaltungs- und Gebietsreform durchzuführen. 

  • Problembereich: Verwaltungskraft der Zonenrandgemeinden

    In den beiden Grenzkreisen Hersfeld und Rotenburg hatten Entwicklungs- und Strukturfragen einen besonderen Stellenwert.

    Hier an der Zonengrenze, an der Grenze zwischen Hessen und Thüringen, die insbesondere ab 1953 immer undurchlässiger geworden war, standen sich zwei feindliche Militärblöcke und zwei unterschiedliche politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Systeme gegenüber.

    Die unmenschliche Grenze am Rande der Europäischen Union zerschnitt auch in unseren Kreisen Hersfeld und Rotenburg Verkehrswege und historisch gewachsene Räume, erschwerte die bisher praktizierte Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, trennte Freunde, Familien und Arbeitskollegen, verhinderte den Zugang zu Arbeitsplätzen und prägte „hüben und drüben“ jahrzehntelang das Schicksal von Millionen Menschen.

    Durch gezielte Hilfen von Bund und Land im Rahmen der vielfältigen Zonenrandförderungs-Programme wurde angestrebt, die Infrastruktur der Gemeinden und Kreise im Zonenrandgebiet bevorzugt auszugestalten und zu stärken. Das führte aber oftmals dazu, dass kleinere bzw. ehrenamtlich geführte Gemeinden bei der Umsetzung von Förderprogrammen überfordert waren.

    Forderungen, Gebiets- und Verwaltungs-Reformen zur Stärkung der Verwaltungskraft durchzuführen, wuchsen erneut; alle Veränderungsvorschläge sollten die Selbstverwaltung stärken und das Prinzip der Freiwilligkeit beinhalten.

  • Finanzielle Anreize und Weitsicht

    Neuen Schwung zu Verwaltungs- bzw. Gebiets-Reformüberlegungen brachte das Hessische Finanzausgleichsgesetz von 1966. Als erstes Bundesland gewährte das sozialdemokratisch geführte Hessen finanzielle Anreize zur Belohnung von gemeindlichen Eingliederungen oder Zusammenschlüssen. Einmalige Zuschüsse und Projektförderungen aus dem Landesausgleichsstock sowie erhöhte Schlüsselzuweisungen für die der Vereinigung nachfolgenden zehn Jahre wurden in Aussicht gestellt.

    Bei den bereits ab 1968 freiwillig vollzogenen und nachfolgend aufgeführten gemeindlichen „Eheschließungen mit finanzieller Zugabe“ spielten aber nicht nur die finanziellen Anreize eine Rolle, sondern auch Weitsicht bei der Mehrheit in den beteiligten Gremien:

    • 1. 9.1968 - Glaam (Kreis Hünfeld) zu Ransbach (Kreis Hersfeld). Eine Sensation war diese grenzübergreifende Eingliederung der Gemeinde Glaam (109 Einw./1.9.68). Nicht nur finanzielle Anreize hatten eine Rolle gespielt; auch die Weitsicht der beteiligten Gemeinde- und Kreisgremien.
    • 15. 9.1968 - Wölfershausen zu Heringen. Nach bürgermeisterloser Zeit (der techn. Angestellte Gerbig, späterer Bürgermeister der Gemeinde Hauneck, war zum Staatsbeauftragten bestellt) kam die finanzschwache Gemeinde Wölfershausen (1570 Einw./15. 9.1968) zu Heringen.
    • 1. 4.1969 - Reilos zu Friedlos. Nach heftigen und recht emotional geführten Diskussionen in Bürgerversammlungen und Sitzungen der Gemeindevertretungen (eine Reiloser Bürgerinitiative hatte sogar gegen den Zusammenschluss geklagt) vereinigten sich die Gemeinde Reilos (354 Einw./1. 4.1969) und die Gemeinde Friedlos. Damit zählte Friedlos zu den fünf größten Gemeinden des Kreises Hersfeld.
    • Zum 1.12. bzw. 31.12.1970 schlossen sich Hilperhausen (98 Einw./1.12.1970) und Mengshausen (587 Einw./31.12.1970) mit der Gemeinde Niederaula zusammen.
    • Am 31.12.1970 wurde Lengers (1047 Einw./31.12.1970) Ortsteil der Gemeinde Heringen.
  • Neubeginn nach der Landtagswahl von 1970

    Nach der Landtagswahl vom 8.11.1970 (SPD 45,9 %, CDU 39,7 %, FDP 10,1 %) wurde bereits in der zwischen SPD und FDP geschlossenen Koalitionsvereinbarung vereinbart, auf Gemeinde- und Kreisebene eine Verwaltungs- und Territorialreform durchzuführen.

    Auf gesetzlicher Grundlage sollte ein umfassendes Anhörungsverfahren auf freiwilliger Basis eingeleitet werden. Formulierte Ziele dieser Reform waren,

    • die nach Ende des II. Weltkrieges in den vergangenen Jahrzehnten eingetretenen sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen sowie
    • entstandene Ungleichgewichtungen innerhalb der Gemeinde- und Kreiskommunen abzubauen,
    • leistungsfähigere Verwaltungseinheiten zu schaffen und
    • infrastrukturelle Verbesserungen mit möglichst gleichwertigen Lebensverhältnissen zu erreichen.
  • Aktivitäten in Hersfeld und Rotenburg sowie bei den Gemeinden  

    Spätestens nach dem Kabinettsbeschluss vom Jan. 1971 und nach den eingeleiteten Gemeinde- und Kreis-Anhörungen war abzusehen, dass

    • beim Kreis Hersfeld,
    • beim Kreis Rotenburg,
    • in den 80 Gemeinden des Kreises Hersfeld mit seinen rd. 73.000 Einw. und
    • in den 68 Gemeinden des Kreises Rotenburg mit seinen rd. 58.000 Einwohnern

    Überlegungen zu der anstehenden Gebietsreform angestellt werden müssen. In allen Kreisgemeinden und –Städten sowie beim Kreis (insbes. in der im Aug. 1970 eingerichteten Zentralabteilung) wurden nunmehr zahlreiche Berechnungen zu Planungen und Vorschlägen angestellt. Vielfältige statistische bzw. rechnerische Modelle und Varianten zu Einwohnerzahlen, finanziellen Auswirkungen und Entwicklungen waren zu erstellen. Vorsorglich wurden über Gemeinden sog. Info-Mappen mit gemeindlichen Besonderheiten, mit zahlreichen allgemeinen Aussagen sowie über deren Finanzkraft zur Ausleihe vorgehalten.

    Diese Unterlagen und Berechnungen wurden nicht nur zur Argumentationshilfe bei der Diskussion über gemeindliche Neugliederungs-Vorschlägen erstellt sondern insbesondere auch zu diskutierten Zu- oder Abgängen an den Kreisgrenzen gefertigt.

    Die Herstellung und Vorhaltung von Fakten und Plan-Unterlagen durch die Zentralabteilung bei der Kreisverwaltung in Hersfeld hatte mehrere Vorteile. Hier waren immer die aktuellsten Informationen parat. Hier wusste man aktuell (fast) immer: wer verhandelt mit wem?! Wie ist der Sachstand? Ist an neuen Informationen „was dran“ oder sind es „nur Gerüchte“?

    Jetzt wurde von Gegnern und Skeptikern vor den überflüssigen Reformen und deren schlimmen Veränderungen gewarnt, so z.B. vor dem

    • Wegfall der Eigenständigkeit mit nachbarschaftlicher Bevormundung, vor
    • Engagement-Verlust bei ehrenamtlichen Tätigkeiten, vor
    • Interessenverlust bei Bürgerinnen und Bürgern bei kommunalen Fragen und vor einer
    • bürokratisch aufgeblähte und teureren Verwaltung.

    Befürworter argumentierten, dass anstehende Zukunftsfragen wie z.B. die

    • Wasserbeschaffung und Abwasserbehandlung, die
    • Organisation der einzuführenden Müllabfuhr, die
    • Errichtung von Schulneubauten und Großsporthallen, die
    • Durchführung von anstehenden Schulreformen, eine nachbarschaftliche
    • Gemeinsamkeiten bei der Organisation von Kindergärten, die
    • Vorhaltung bzw. Erschließung gemeinsamer größerer Industrieansiedlungsflächen, die
    • Durchführung von Gesetzen mit aufwändigen Umsetzungsvorgaben sowie die
    • Einführung der Datenverarbeitung mit Datenverbund und Datenaustausch

    von kleineren Kommunen allein nicht zu bewältigen seien.

    Jetzt wurden bei Gemeinden, Städten und bei Kreisen

    • Verhandlungskommissionen gebildet,
    • Bürgerversammlungen einberufen,
    • Sitzungen von Gemeinde- und Kreisgremien (mit jeweils vorgeschalteten Fraktionssitzungen) durchgeführt,
    • geheime parteiübergreifende sowie gemeinde- bzw. kreisübergreifende Gespräche geführt,
    • örtliche „Volksabstimmungen“ gefordert,
    • Flugblätter - mit und ohne Absender, offen oder anonym – verteilt,
    • über Nacht Ortsschilder mit neuen Namen beschriftet.

    Argumente jeder Art wurden genutzt, wie z.B.

    • historische, kulturelle, sportliche, strukturpolitische, religiöse,
    • sachliche und weniger sachliche Stichworte zusammengetragen,
    • Für und Wider zu Wünschen diskutiert,
    • erfüllbare und kaum erfüllbare Forderungen gestellt,
    • großzügige Personal-Versprechungen gegeben – auch über die spätere Einstellungen auf „lukrative Posten“

    Interessant war aber auch, dass

    • manchmal persönliche Drohungen ausgesprochen wurden,
    • alte, historische Dorf-Feindschaften auflebten,      
    • aber auch neue persönliche und gemeindliche Freundschaften entstanden.

    In besonderem Maße galt es,

    • Überzeugungsarbeit zu leisten,
    • emotional geführte Diskussionen zu versachlichen,
    • alte Rivalitäten und Vorbehalte abzubauen und
    • Misstrauen gegenüber Reformen zu entkräften.

    Viele waren der Meinung, dass Eckpunkte von Veränderungen schon frühzeitig parteiübergreifend in Wiesbaden oder von benachbarten Landräten abgesprochen worden seien. Mit der neuen und durch finanzielle Sonderzuweisungen für freiwillige Zusammenschlüsse versprochenen zusätzlichen Finanzkraft glaubte man, alle Wünsche erfüllen zu können. Z.B. Friedhofshallen, Kindergärten, Sport- und Spielstätten, Bürgerhäuser, Straßen, Wege, Busverkehre – alles schien „machbar“ und alles „bezahlbar“.

    Zahlreiche Gemeinden verhandelten in jede Richtung – welcher Gemeinde-Nachbar machte das beste Angebot. Oft wurde die These genutzt: „Wir sind nach allen Seiten offen“ – scherzhaft sahen manche darin, dass der, der nach allen Seiten offen ist, ja „nicht ganz dicht sei …“. Jetzt war alles in Bewegung - eine spannende Zeit! Bei einigen Gemeinden kam es zu schnellen Vereinbarungen über freiwillige Zusammenschlüsse mit Nachbargemeinen. Bei manchen brachte erst das Neugliederungsgesetz vom Juli 1972 die Entscheidung über die Zusammensetzung und Zuordnung von Ortsteilen für die neue Gemeinde zum 1.8.1972.

  • Kreis Hersfeld und Kreis Rotenburg – rasche Einigkeit

    Zügig handelten und verhandelten die Verantwortlichen in den Kreisen Hersfeld und Rotenburg. Bereits recht früh war deutlich geworden, dass sich die beiden Kreise zu einem neuen Kreis zusammenschließen wollen. Nach intensiven Beratungen wurde bereits im März 1971 durch Beschlüsse der Kreistage (in Hersfeld einstimmig bei 1 Enthaltung und in Rotenburg mit SPD-Mehrheit) der Zusammenschluss der beiden Kreise vereinbart.

    In dem Auseinandersetzungsvertrag wurde u. a. festgelegt:

    • Name des Kreises: Der Name des Kreises soll nicht – wie zunächst im Landes-Entwurf vorgesehen - „Hersfeld“ sondern „Hersfeld-Rotenburg“ lauten.
    • Kreisstadt und Sitz der Kreisverwaltung: Zur Frage Kreisstadt und Sitz der Kreisverwaltung gab es kaum Zweifel oder Diskussionen. Zu den für Hersfeld sprechenden Argumente zählte u.a. die größeren Einwohnerzahlen der Stadt und der des Kreises Hersfeld, die zahlreichen sich abzeichnenden gemeindlichen Zugänge aus Nachbarkreisen in den Kreis Hersfeld und die allgemeine zentrale Bedeutung von Hersfeld.
    • Außenstelle der Kreisverwaltung: Dass Rotenburg seinen Status als Kreisstadt verlor, wurde dort zwar sehr bedauert. Doch die in Rotenburg nach dem Auseinandersetzungsvertrag bestehende Verwaltungs-Außenstelle mit ihren zahlreichen und konkret benannten Abteilungen, die eingerichteten überörtlichen Schuleinrichtungen, die verbleibenden sonstigen Behörden, die wachsende Bedeutung als Garnisonstadt und das entstehende Herz-Kreislaufzentrum tröstete die Rotenburger etwas.
    • Kreisstadt Bebra? Zwischenzeitlich war der Vorschlag, Bebra wegen seiner zentralen Lage zur Kreisstadt zu machen, diskutiert worden; bald jedoch wurde der Vorschlag wieder verworfen.
    • Sonstige Vereinigungen und Zusammenschlüsse: In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich eine Vielzahl von Organisationen, Vereinen und Verbänden in den nachfolgenden Wochen und Monaten auf Kreisebene (freiwillig) zusammengeschlossen haben.
  •  1970/1971/1972: Eile und vielfältige Werbung an den Kreis-Grenzen

    Spätestens jetzt mussten sich auch die vielfältig umworbenen Grenzgemeinden entscheiden ob sie „bei uns bleiben“, „unseren Kreis verlassen“ oder „zu uns in den neuen Kreis kommen wollten“. Nachbarkreise strebten das Gegenteil an!

    Zügig verhandelten Verantwortliche der Kreise Hersfeld und Rotenburg mit Vertretern der benachbarten Kreise Eschwege, Fritzlar-Homberg, Hünfeld und Ziegenhain über Veränderungen an ihren Kreisgrenzen.

    • Kreis Eschwege - Sontra

    Die Stadt Sontra traf schon recht bald die Entscheidung - trotz zahlreicher Verflechtungen zum Rotenburger Raum - sich mit ihren 10 späteren Stadtteilen dem Kreis Eschwege anzuschließen.

    • Kreis Fritzlar-Homberg - Rengshausen

    Trotz zahlreicher Gespräche mit Vertretern des Kreises Rotenburg, aber auch mit denen des Kreises Fritzlar-Homberg, entschied sich die touristisch aufstrebende Gemeinde Rengshausen schon recht früh, den Kreis Rotenburg mit den 4 späteren Ortsteile zu verlassen.

    • Kreis Hünfeld – Hohenroda, Mansbach, Haunetal, Eiterfeld, Buchenau, Kiebitzgrund

    Rasch war deutlich geworden, dass aus dem nördlichen Kreis Hünfeld zahlreiche Gemeinden zum neuen Kreis Hersfeld tendierten. Doch aus den Kreisen Hünfeld und Fulda wurde gefordert: Der gesamte Kreis Hünfeld muss zum Kreis Fulda. (Die örtliche Kreis-CDU war sich in dieser Frage nicht einig!).

    Weit blickend und noch bevor im Mai 1971 die Modellplanung zur „Neugliederung auf der Kreisebene in Hessen“ vorgestellt wurde, hatten einige Gemeinden - teils mit einstimmigen Beschlüssen - bereits Zeichen gesetzt.

    So hatten die Gemeinden Soislieden zum 1. 1.1970, Oberbreitzbach zum 1. 7.1970 und Mansbach zum 1. 2.1971 sowie

    Hermannspiegel, Mauers, Neukirchen Oberstoppel und Rhina zum 1. 2.1971

    die „Richtung“ selbst bestimmt, sich neu organisiert (Gemeinde Hohenroda, Gemeinde Mansbach) und den Willen „Auskreisung aus dem Kreis Hünfeld“ und „Einkreisung in den Kreis Hersfeld“ bekräftigt.

    Im Raum Eiterfeld zeichnete sich ab, dass hier eine neue Gemeinde mit gut einem Dutzend Ortsteilen entstehen würde. Aber es gab auch ausgeprägte „Hersfeld-Tendenzen“. Die „Pro-Kreis-Hersfeld-Werbung“ wurde vor allem von einer Wählergruppe und von „SPD-orientierten Orten“, aber auch von CDU-Gemeindevertretern im Raum Eiterfeld positiv aufgenommen. So spielte z.B. die Schulstandortfrage (Sek. II nach Eiterfeld) eine Rolle; neue (zusätzliche) Buslinien sollten eingerichtet werden. Verhandlungen scheiterten schließlich - auch nachdem aus Hünfeld/Fulda vielfältige Signale gesendet und diese in Eiterfeld nicht nur von Kommunalpolitikern aufgenommen worden waren.

    Die Buchenauer wollten weder zu Eiterfeld noch zu Fulda. Sie beantragten beim Hünfelder Kreistag den Anschluss an den Kreis Hersfeld. Sie führten Gespräche mit Erdmannrode, Fischbach und Bodes mit dem Ziel: Bildung einer Gemeinde Buchenau und dann zum Kreis Hersfeld. Doch ohne Erfolg. Buchenau wurde zum 1. 8.1972 der Gemeinde Eiterfeld zugeordnet.

    „Pro-Hersfeld-Interesse“ bestand auch im sog. Kiebitzgrund mit den Gemeinden Großenmoor, Hechelmannskirchen, Langenschwarz und Schlotzau. Gespräche und Informationsveranstaltungen mit Bürgermeistern und Kommunalpolitikern fanden statt. Der Ruf von Hünfeld/Fulda war jedoch stärker. Sie wurden per 1. 8.1972 Burghaun zugeordnet.

    • Kreis Ziegenhain – Breitenbach, Oberaula

    Ohne dass in Breitenbach „Überzeugungsarbeit“ geleistet werden musste, stand dort schon früh fest, dass man mit Hatterode und Oberjossa gemeinsam zum Kreis Hersfeld wollte; Gehau und Machtlos wurden dann per 1.8.1972 zugeordnet.

    Auch an einer „Kreis-Hersfeld-Zugehörigkeit“ von Oberaula im Kreis Ziegenhain (einschl. benachbarter Orte) bestand - aus historischen Gründen und wegen vielfältiger Verbindungen in den Hersfelder Raum - gegenseitiges Interesse.

    Bei den Gesprächen zwischen Vertretern des Kreises Hersfeld und denen der Gemeinde Oberaula (seinerzeit ohne Bürgermeister) spielten neue Verkehrsanbindungen, erwartete finanzielle Vorteile durch Einbeziehung der Gemeinde Oberaula in die Zonenrandförderung (war aber gesetzlich nicht möglich) und die (hochbewertete) Standortfrage der später in Niederaula errichteten Gesamtschule eine Rolle.

    Die darüber hinaus von Oberaulaer Seite erhobene Forderungen, Orte, die sich bereits nach Kirchheim orientiert hatten jetzt nach Oberaula „umzuorientieren“, löste bei Kirchheimer Gemeinde- und Kreispolitikern natürlich heftige „Irritationen“ aus und leiteten schließlich das Ende der Gespräche ein.

  • Zusammenfassung der kreisübergreifenden gemeindlichen Zu- und Abgänge

    Veränderungen der Kreisgrenzen mit den sich abzeichnenden grenzüberschreitenden Zu- und Abgängen konnten vertraglich nicht vereinbart oder festgelegt werden; diese Veränderungen blieben dem Neugliederungsgesetz vom 1. 8.1972 vorbehalten.

    Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es mit Bildung des Kreises Hersfeld-Rotenburg per Gesetz zu folgenden, die Kreisgrenzen überschreitenden Abgängen und Zugängen von Gemeinden bzw. Ortsteilen kam:

    Abgänge aus dem Kreis Rotenburg in den Kreis Fritzlar-Homberg (später Schwalm-Eder-Kreis):

    • Rengshausen mit den Ortsteilen Hausen, Lichtenhagen, Nausis, Nenterode.

    Abgänge aus dem Kreis Rotenburg in den Kreis Eschwege (später Werra-Meißner-Kreis):

    • Sontra mit den Stadtteilen Berneburg, Blankenbach, Breitau, Diemerode, Heyerode, Krauthausen, Lindenau, Ulfen, Weißenborn, Wölfterode.

    Zugänge aus dem ehemaligen Kreis Hünfeld (später Kreis Fulda):

    • Hermannspiegel, Mauers, Neukirchen, Oberstoppel, Rhina, Meisenbach, Müsenbach, Odensachsen, Schletzenrod, Unterstoppel, Wehrda, Wetzlos - zur Gemeinde Haunetal;
    • Bodes, Fischbach - zur Gemeinde Hauneck;
    • Soislieden, Oberbreitzbach, Mansbach - zur Gemeinde Hohenroda;
    • Erdmannrode - zur Gemeinde Schenklengsfeld.

    Zugänge aus dem ehemaligen Kreis Ziegenhain (später Schwalm-Eder-Kreis):

    • Breitenbach, Hatterode, Oberjossa, Gehau, Machtlos, - zur Gem. Breitenbach a.H..

    Zugänge aus dem ehemaligen Kreis Fritzlar-Homberg (später Schwalm-Eder-Kreis):

    • Mühlbach, Raboldshausen, Saasen, Salzberg - zur Gemeinde Neuenstein.

    Zugänge aus dem ehemaligen Kreis Melsungen (später Schwalm-Eder-Kreis):

    • Heinebach - zur Gemeinde Alheim.

    Im Rahmen der Gebietsreform kamen somit allein 27 Gemeinden kamen aus 3 Nachbarkreises in den Kreisteil Hersfeld, 1 Gemeinde in den Kreisteil Rotenburg; aus dem Kreisteil Hersfeld gab es keine Abgänge, 16 Gemeinden verließen den Kreisteil Rotenburg in 2 Nachbarkreise.

     

    1.8.1972: Kreis Hersfeld-Rotenburg

    Mit dem „Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Hersfeld und Rotenburg vom 11. 7.1972“ wurden zum 1. Aug. 1972 die

    • Kreise Hersfeld und Rotenburg, zu denen ehemals 80 bzw. 68 Gemeinden und Städten zählten, zum Landkreis Hersfeld-Rotenburg zusammengeschlossen, wurde die
    • Zusammensetzung der Gemeinden und Städte innerhalb des neuen Kreises Hersfeld-Rotenburg endgültig festgelegt und die
    • kreisübergreifende Zuordnung von Ortsteilen oder Gemeinden festgeschrieben.

    Der neue Groß-Kreis Hersfeld-Rotenburg bestand damit aus

    • 17 Gemeinden - Alheim, Breitenbach a. H., Cornberg, Friedewald, Hauneck, Haunetal, Heringen (ab 16. 3.1977 wurden Stadtrechte an Heringen verliehen), Hohenroda, Kirchheim, Ludwigsau, Nentershausen, Neuenstein, Niederaula, Philippsthal, Ronshausen, Schenklengsfeld, Wildeck - und
    • 3 Städten - Bebra, Bad Hersfeld, Rotenburg a. d. F. -

    mit insgesamt rd. 131.500 Einwohnern (131 491 Einw. am 31.12.1972). Zu diesen auf einer Fläche von rd. 1.097 qkm neu gebildeten 20 Hersfeld-Rotenburger-Kommunen gehörten nunmehr über 140 Orts- bzw. Stadtteile mit ihren über 140 Ortsbeiräten.

    Änderungen kommunaler Vorschriften

    Die 1952 in der Hessischen Gemeinde- und Kreisordnung festverankerten kommunalrechtlichen Grundprinzipien wurden, auch trotz zahlreicher Anpassungen und Änderungen der Kommunalverfassung nach 1972, nicht angetastet.

    Zu erwähnen sind jedoch die

    • Einführung der Direktwahl der Landräte und Bürgermeister ab 1993, die
    • Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in 1993, die
    • Änderung des Kommunal-Wahlsystems in 1999 mit kumulieren und panaschieren der Wählerstimmen und die
    • Zuordnung bzw. Neuordnung der Landratsaufgaben in 2005 mit Kommunalisierung der Landesverwaltungen.
  • Rückblick auf die Reform 

    Der Verfasser, der die Reform und das Werden des Kreises Hersfeld-Rotenburg miterlebt und versucht hat mit dieser Ausarbeitung einige Teile der Geschichte des Kreises Hersfeld-Rotenburg darzustellen, kann und will eine eingehende Bewertung der abgeschlossenen Verwaltungs- und Gebietsreform, die sicherlich nicht die letzte Kommunal-Reform war, im Detail nicht vornehmen.

    Mit zeitlichem Abstand kann jedoch festgestellt werden, dass die Neugliederung der Gemeinden und der Kreis-Zusammenschluss das Leben der Bürgerinnen und Bürger in unserem Kreis Hersfeld-Rotenburg sowie in seinen 20 Gemeinden und Städten beeinflusst, spürbar belebt und nachhaltig verbessert hat.

    Abbau von Vorbehalten

    Bereits nach kurzer Zeit konnte festgestellt werden, dass Bürgerinnen und Bürger von neuem und zunehmendem Service leistungsfähiger Verwaltungen mit engagierten und fachkundig ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierten.

    Außerdem: In den Gemeinden und beim Kreis hatte man rasch begriffen, dass nur solide Verwaltungsarbeit mit qualifizierten Wahlbeamten und die Einhaltung der vor der Reform gegebenen Versprechungen bei den Bürgerinnen und Bürgern Akzeptanz und Vertrauen zur neuen Kommune und zu den neuen Parlamenten wachsen ließ.

    Rückblickend kann festgestellt werden, dass es nur wenige Jahre dauerte, bis bei Mandatsträgern sowie bei Bürgerinnen und Bürgern Gebietsreform-Vorbehalte weitgehend abgebaut waren.

    Erster Kreistag gewählt

    Gespannt war man auf die ersten Kommunalwahlen nach der Gebietsreform. Die erste Kreistagswahl des Großkreises am 22. Okt. 1972 wurde zum Erfolg für die SPD; der nunmehr 61 Sitze umfassende Kreistag setzte sich danach wie folgt zusammen: SPD 37 Sitze, CDU 20 Sitze, FWG 4 Sitze.

Autor: Hans-Otto Kurz, ehemaliger Büroleiter der Kreisverwaltung

35
In Abendsonne ein Luftbild über die Stadt Bad Hersfeld, im Fokus ist die Stiftsruine mit dem Park Stiftsbezirk mit braunen Gehwegen, dunkelgrünem Gras und herbstlich gefärbten Bäumen. Im Hintergrund die Stadt mit Stadtkirche, Marktplatz, Häusern, Klinikum und weiter hinten Bergen mit Wald.

Interkommunales Kreisarchiv

Sie möchten mehr über die Geschichte des Landkreises Hersfeld-Rotenburg erfahren? Dann stöbern Sie doch mal in unserem Interkommunalen Kreisarchiv.


Aktuelles