
Volkshochschule
Mit bürokratischem Eifer in die soziale Schieflage – Pläne des Bundesfinanzministeriums könnten Erwachsenenbildung deutlich teurer machen
Mit einem Entwurf zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses nimmt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Träger der allgemeinen Weiterbildung ins Visier – und demonstriert Unverständnis für die Herausforderungen der agilen Arbeits- und Lebenswelt. Das Ministerium möchte den Erwerb fachübergreifender Kompetenzen zu reiner Freizeitbeschäftigung erklären. Entsprechende Lernangebote an Volkshochschulen und anderen Weiterbildungseinrichtungen könnten somit künftig mit der Umsatzsteuer belegt werden. Steuerfrei soll Weiterbildung nur bleiben, wenn sie unmittelbaren Bezug zu einem Beruf oder der Berufswahl hat. Die Volkshochschulen und ihre Verbände warnen eindringlich davor, Bildung so eng zu definieren. Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) fordert das Ministerium zu einem konstruktiven Dialog über Weiterbildung in Zeiten der KI-Revolution, des globalisierten Arbeitens und starker gesellschaftlicher Spannungen auf. Bildungs- und Wirtschaftsfachleute sind sich längst einig, dass es im gesellschaftlichen Leben wie auch am Arbeitsplatz auf die von der allgemeinen Weiterbildung vermittelten überfachlichen Kompetenzen ankommt.
Hintergrund der Pläne aus dem Ministerium ist die Anpassung des deutschen Umsatzsteuergesetzes an das EU-Recht. Nur: Auf eine Besteuerung der allgemeinen Weiterbildung zielte der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung gar nicht ab. Aus Sicht der Volkshochschulen muss das BMF seinen Erlass überdenken, denn eine Steuererhebung auf Weiterbildungsangebote würde den ständigen Appell aus Politik und Wirtschaft zur Notwendigkeit lebenslangen Lernens zur leeren Worthülse verkommen lassen.
Ministerieller Alleingang
Konkret geht es in den strittigen Ausführungen aus dem Ministerium um einen Anwendungserlass zu dem mit Wirkung zum 1. Januar 2025 geänderten Paragrafen 4 Nr. 21 im Umsatzsteuergesetz. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers war laut der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, dass auch nach der Gesetzesänderung „die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen unverändert umsatzsteuerfrei bleiben“. Das BMF setzt sich mit seinem Entwurf darüber hinweg, indem es nur direkt berufsbezogene Weiterbildungsangebote als Bildungsleistungen anerkennt. Vermitteln Angebote hingegen Kenntnisse und Fähigkeiten, die auch im Privaten zur Anwendung kommen können, fallen sie nach Lesart des Ministeriums in die Kategorie „Freizeit“ und würden damit steuerpflichtig.
Auf die europäische Rechtsprechung kann sich das BMF mit seinem eigenwilligen Bildungsverständnis nicht berufen. Für den EuGH zählt bei der Definition von Bildung eben nicht die unmittelbare berufliche Verwendbarkeit: Für den Gerichtshof ist vielmehr die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen maßgeblich.
Schmalspur-Bildung
Aus Sicht der Volkshochschulen bewegt sich das Ministerium mit seinem engen Bildungsbegriff fernab jeder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität. „Zwischen ‚privaten‘ und ‚beruflichen‘ Kompetenzen zu unterscheiden ist gerade heute widersinnig“, sagt Dr. Christoph Köck, Direktor des Hessischen Volkshochschulverbandes. „Wir alle machen doch Tag für Tag die Erfahrung, dass Problemlösungskompetenz, Kommunikationsfähigkeit oder soziale Kompetenz sowohl im Privatleben als auch am Arbeitsplatz unentbehrlich sind“.
Weiterbildungsangebote, die der Stärkung der Demokratie und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen, spricht das Ministerium den Bildungswert ab. Dies steht im eklatanten Widerspruch zu den von Bund und Ländern erarbeiteten Kriterien für eine Bildungsveranstaltung, die der Anwendung des wichtigen Paragrafen 4 Absatz 22a im Umsatzsteuergesetz zugrunde gelegt werden sollen. Diese Regelung erklärt Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art, die unter anderem von Volkshochschulen, erbracht werden, für steuerfrei. „Darüber hinaus sind die geplanten Vorschriften auch unvereinbar mit dem Weiterbildungsgesetz des Landes Hessen“, sagt vhs-Landesverbandsdirektor Köck.
Die reduzierte Definition von Bildung in dem BMF-Papier diskriminiert zudem ganze gesellschaftliche Gruppen, zum Beispiel alle diejenigen, die ihr Berufsleben schon hinter sich haben, sich aber im vitalen persönlichen wie auch gesellschaftlichen Interesse weiterbilden wollen.
Mit bürokratischem Eifer in die soziale Schieflage
Haarspalterische Formulierungen in dem Papier des BMF lassen erahnen, wie sehr der Erlass die Programmarbeit von Weiterbildungseinrichtungen verkomplizieren würde: So unterscheidet das Ministerium zwischen steuerfreien Veranstaltungen mit Berufsbezug und solchen mit der „bloßen Möglichkeit eines Berufsbezugs“, die besteuert werden sollen. Christoph Köck sieht eine Lawine von Bürokratie auf die Weiterbildung zurollen, zudem würden die Teilnahmegebühren in die Höhe getrieben. Dies benachteilige zahllose Menschen, die sich gerade in Krisen- und Umbruchszeiten weiterbilden wollen, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Volkshochschule Hersfeld-Rotenburg für bezahlbare Bildung
Die Volkshochschule Hersfeld-Rotenburg nimmt die aktuellsten Entwicklungen im Zusammenhang mit den Plänen des Bundesfinanzministeriums zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes besorgt zur Kenntnis. Für die vhs-Bildungsangebote im Landkreis könnte dies eine spürbare Verteuerung zur Folge haben.
„Unser Ansatz, qualitativ hochwertige Bildung allen Menschen im Landkreis - unabhängig von wirtschaftlichen Voraussetzungen - zugänglich zu machen, steht auf dem Spiel. Gerade in Zeiten, in denen wir lebenslanges Lernen als Teil der Daseinsvorsorge und des sozialen Zusammenhaltes begreifen müssen, wäre dieser Schritt gesellschaftspolitisch nicht zu verantworten. Wir unterstützen die Forderung der Verbände nach einer zukunftsfähigen Lösung, die der gemeinwohlorientierten Weiterbildung gerecht wird und Rechtssicherheit für alle Beteiligten schafft,“ so Fabian Göbel, Leitung der Volkshochschule.